Allerheiligen will Alles Heiligen

Allerheiligen will Alles Heiligen

„Niemand wird im Schlaf ein Heiliger“ schreibt der schottische Philosoph Thomas Carlyle (1785 - 1881). Und damit gibt er den Hinweis, dass durch Tun und Handeln es möglich ist, ein Heiliger oder eine Heilige zu werden. Was aber steckt hinter dem so vertrauten, auch ein Stück verstaubten Begriff?

In unserer Sprache bezeichnet heilig etwas Besonderes, Abgesondertes, Verehrungswürdiges und ist mit der Sphäre des Göttlichen, Vollkommenen und Absoluten verbunden. Wir sind gewohnt, in den Kategorien sakral und profan zu denken, ja die Welt ein Stück weit einzuteilen und zu trennen. Auf den ersten Blick entspricht das der Erfahrungswelt der Bibel, näher hin des Volkes Israel. Es gibt Orte der Begegnung mit Gott, beispielhaft den Brennenden Dornbusch, den Mose sieht und den Namen Gottes geoffenbart bekommt (Ich-bin-da): dieser Ort ist heiliger Boden. Es fällt auf, dass Orte der Gottesbegegnung herausgenommen sind und ihren Charakter durch Gott bekommen. Er ist der Heilige, ihm begegne ich in der entsprechenden Haltung.

Mit Jesus kommt eine neue, entscheidende Dimension im Blick auf das Heilige hinzu. In der Beziehung zu ihm entscheidet sich letzthin Alles. Wie sehr ich ihm Raum und seiner Botschaft in meinem Leben Widerhall geben kann und will, seine Art Gott und Menschen zu begegnen mir zu eigen mache, erschließt mir die Sphäre des „Heiligen“.

Es geht nicht um einen Ort, sondern um das, was geschieht. So kann auch diese Bank in der Fußgängerzone Boppard ein Ort der Heiligung werden durch das, was zwischen Menschen und Gott und Mensch sich ereignet. Es gibt sicher auch für Sie solche Orte der Heiligung, wo andere es vielleicht gar nicht vermuten oder erahnen.

In der Überschrift habe ich gewagt, mit Sprache zu spielen. Gerade weil dieses Fest Allerheiligen nicht antiquiert und verstaubt bleiben will, sondern höchst zeitgemäß werden. Die Menschen, die aus ihrer Beziehung zu Jesus heraus gehandelt haben und auf die Nöte ihrer Zeit reagierten, traten bewusst nach außen, gingen auf die Menschen zu, blieben nicht in abgesonderten Räumen. Sie gingen auch Risiken ein, missverstanden, vielleicht auch abgelehnt zu werden. Viele erkannten für sich Aufgaben und Handlungsaufträge in der Welt und an den Menschen.

Madeleine Delbrel (1904 - 1964), eine französische Mystikerin und Pionierin der Heiligung der Welt und des Alltags ermutigt uns, Gott einen Ort zu sichern, durch unsere Anwesenheit als getaufte Christen und Christinnen und allein dadurch Orte und Situationen zu verändern, ja zu heiligen.

Liturgie der Außenseiter

Du hast uns heute Nacht in dieses Cafe „Le Clair de Lune“ geführt. Du wolltest dort du selbst sein, für ein paar Stunden der Nacht. Durch unsere armselige Erscheinung,durch unsere kurzsichtigen Augen, durch unsere liebeleeren Herzen wolltest du all diesen Leuten begegnen, die gekommen sind, die Zeit totzuschlagen. Und weil deine Augen in den unsren erwachen, weil dein Herz sich öffnet in unserm Herzen, fühlen wir, …Das Café ist nun kein profaner Ort mehr, dieses Stückchen Erde ist nun kein profaner Ort mehr, das dir den Rücken zu kehren schien. Ich wünsche uns eine gute Zeit und Orte und Erfahrungen, die wir als „heilig“ entdecken und erfahren, nicht nur an Allerheiligen.

Bernhard Schork