Wahre Freude!

Wahre Freude!

Weihnachten stand vor der Tür. Eine Frau, etwas mitgenommen von einem schweren Jahr, wanderte durch ein Kaufhaus. Die dringenden Wünsche waren bereits erfüllt und lagen goldverschnürt daheim, in Schränken versteckt.

Aber es waren ihr immer noch einige ganz heimliche Träume bekannt, die sie gern verwirklicht hätte.

Unschlüssig blieb sie da und dort stehen, überlegend und rechnend und innerlich etwas verdunkelt von Unzufriedenheit.

Warum durfte, warum konnte man nicht einfach das Schönste auswählen?!

Hier gab es alle Herrlichkeiten auf Erden, prächtig anzusehen, höchsten Ansprüchen genügend. Nein, am Angebot fehlte es nicht, aber die Mittel waren begrenzt.

Sie trat an den Tisch mit Kerzen für Advent und Weihnachten. Kerzen in allen Farben und Größen und mit kunstvollen Ornamenten. Eine herrliche „Sinfonie“ aus duftendem Wachs!

Da erblickte sie plötzlich eine Männerhand, unsicher tastend, dann eine zweite, weibliche, welche die erste Hand sanft hinführte zu einer der dicken Kerzen. Erstaunt hob die Frau den Kopf! Der Mann, dem die suchende Hand gehörte, war blind!

Ein kleines Lächeln verjüngte seinen Mund, als er jetzt die Kerze behutsam wie eine Kostbarkeit abtastete. Die Spitzen seiner Finger folgten dem Muster des Wachses, prüften die Formen des Reliefs, die Weite der Rundung.

Leise fragte er die Frau neben sich etwas.

„Rot ist sie, ein schönes, dunkles Rot“ und ihre Stimme war voll geduldiger Güte.

Er nickte, sein Gesicht sah glücklich aus. „Ja, diese!“

Und sie kauften die Kerze.

Direkt nach dieser Szene verließ sie, ohne zu zögern, das Kaufhaus. Nein, nichts mehr!

Es genügte, was für jeden an Gaben bereitlag!

Denn wie reich waren sie alle, sie und die Ihren!

Wie reich beschenkt – heute und immer schon – weil sie eben sehen konnten: Das Grün der Tanne, den Goldglanz der Kerzen, das Farbspiel der schimmernden Kugeln, das Strahlen glücklicher Augen.

In den häuslichen Weihnachtsjubel hinein würde sie erzählen, welche Ehrfurcht jene tastende Hand ausgedrückt hatte, als sie die Kerze wählte, deren Leuchten die blinden Augen doch niemals sehen würden. Welche Ehrfurcht vor dem Licht – und welche tiefe Sehnsucht danach!

Etwas von dieser inneren Freude wünsche ich Ihnen nicht nur am 3. Advent (Gaudete = Freut Euch), sondern auch im Zugehen auf das Geburtsfest Jesu.

Bruno Comes, Kooperator-Pfarrer Bernkastel-Kues