Gestern traf ich GOTT beim Radfahren. ER saß oben vor der kleinen Kapelle und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Ich stellte mein Rad neben seinem ab und setzte mich zu IHM.
Wir kamen schnell ins Gespräch: Über unsere Fahrräder, die Routen, das herrliche Wetter,Corona. Ja, Corona beschäftige IHN. Sehr! Es gehe IHM mächtig an die Nieren, das Leiden und Sterben, die Ängste, die Einsamkeit, die finanziellen Nöte. Ein einziges Desaster. Entsetzlich, grausam.
Wenn ER dann höre, ER oder die Geflüchteten oder die Juden oder sonst wer hätten das Virus eingeschleppt, dann, ja dann würde ER am liebsten mal ordentlich dazwischen gehen. Richtig aufregen könne ER sich da. So viel Ignoranz und dummes Gerede. Unglaublich! Auf der anderen Seite: Die unzähligen Menschen, die sich für andere einsetzten. Da könne ER nur sagen: Hut ab! Das sei wirklich ganz großes Kino.
Nein, die Kontaktsperre fände ER auch nicht super. Dieser Abstand. Das entspräche sogar nicht seiner Art. ER sei doch lieber mitten drin, dabei. Da! Auch jetzt! Man würde IHN da glatt unterschätzen. Aber klar: Keine physische Nähe - vernünftig und notwendig. Trotzdem: IHM sei es bisweilen zu viel mit den gestreamten Gottesdiensten, den tausend Impulsen … Sicher: Für manchen geradezu überlebenswichtig. Aber ER müsse da manchmal raus, einfach SEIN Ding machen.
Was das denn sei, SEIN Ding, wollte ich wissen. Na, Rad fahren z. B., meinte GOTT. Da sähe ER mal was anderes. Herrliche Landschaften und so. Wäre auch gut für das Herz-Kreislauf-System. Und eine Freiheit könne ER da spüren, einen inneren Frieden, einfach großartig. Außerdem käme ER da mit den unterschiedlichsten Leuten ins Gespräch. Weil: Eigentlich sei das ja SEIN Ding. Das Gespräch. Mit SEINEN Freunden und Freundinnen oder auch mit anderen, die sich einfach mal so zu IHM auf eine Bank oder eine Mauer oder auf eine Wiese setzten. Halt diejenigen, die sich mal ganz locker mit IHM unterhalten wollten. Überhaupt, diejenigen, die auch so drauf wären wie ER. Da gäbe es so einen Gleichklang der Seelen. Die wüssten, wovon ER spräche, wenn ER von seinen Zweifeln, dem Druck, den ganzen Erwartungen erzähle.
Das seien dann anregende und oft überraschende Gespräche. Da könne man sein Hirn einschalten, Dinge mal ausdiskutieren, die eigene Position schärfen oder auch verwerfen. ER jedenfalls habe schon viel dabei gelernt. Auch über sich selbst: Was es dem ein oder der anderen schwer mache mit IHM. Oder dass ER sich das mit seiner Kirche, Stichworte: Glaubwürdigkeit, Macht, Frauen, nochmal überlegen müsse. Aber eigentlich, meinte GOTT, überlege ER ja ständig und sei durchaus für Veränderungen. Aber irgendwie hinkten SEINE offiziellen Vertreter immer noch einige hundert Jährchen hinterher. Manchmal habe er sogar den Eindruck, die nähmen IHN nicht ernst oder dächten, ER sei harmlos, mit IHM bräuchte man nicht zu rechnen. Aber egal. Das wird schon, meinte GOTT.
Leider, meinte GOTT, habe das Virus auch diese jungen Leute, die auf SEINE grandiose Schöpfung aufmerksam gemacht hätten, etwas aus ihrem Freitags-Rhythmus gebracht. ER habe die Themen immer wieder mal angemahnt oder so eingeworfen in die Debatten: Das mit den Zusammenhängen in SEINEM Gesamtwerk, die Wechselwirkungen, die Balance, das Zusammenspiel usw. usw. Halt das Wohl aller Menschen. Ich wisse ja: Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung!
Na ja, meinte GOTT, ER müsse jetzt mal weiter. Mit einem Seufzer stand ER auf, reckte sich und schwang sich auf SEIN Fahrrad. Und außerdem, meinte ER, ER habe uns ja reichlich ausgestattet mit Verstand, Fantasie und SEINEM Geist. Eigentlich bräuchten wir das alles nur zu nutzen. Dann trat ER kräftig in die Pedale, drehte sich nochmal zu mir um und rief: Und wie gesagt, alles bestens angelegt in euch. Ihr könnt das! Wir schaffen das!
von: Lokale Kirchenentwicklung in der PG Bernkastel-Kues