Eine der ältesten Pfarrorganisationen an der Mosel
Die Anfänge der Christianisierung und die Gründung einer Pfarrei in Bernkastel liegen ebenso im Dunkeln, wie die Entstehung des Ortes selbst. Wenn aber schon 933 in den Urkunden eine Burg genannt wird, die Adalbero, Probst von St. Paulin in Trier und Schwager des deutschen Kaisers Friedrich II. hier erbauen ließ, darf man wohl annehmen, dass die Bevölkerung bereits katholisch war. In der Geschichte der Pfarrei werden 1177 Theodor von Saarburg und als sein Nachfolger 1181 Albert von Sponheim als die beiden ersten Pfarrer von Bernkastel erwähnt. Beide adligen Herrn waren Mitglieder des Domkapitels; die Bernkasteler Kirche muss demnach schon zur damaligen Zeit reich dotiert gewesen sein. Das erste romanische, kleinere Gotteshaus stand inmitten des Friedhofs. Seine damals große Bedeutung beweist ein Ablassbrief, nach dem am 6. Juni 1324 zwölf Erzbischöfe und Bischöfe den frommen Besuchern und Wohltätern der Pfarrkirche St. Michael in der Stadt Bernkastel, die der seligen und glorreichen Jungfrau Maria und dem heiligen Erzengel Michael geweiht ist, einen Ablass von 40 Tagen gewähren.
Um 1380 wird an der Stelle der ersten Kirche ein Neubau innerhalb des Friedhofes errichtet, auf dem die Bernkasteler bis 1673 ihre Toten beerdigten.
Heinrich von Walderdorff, der ehemalige Kaplan des Erzbischofs Kuno von Falkenstein, ist Pfarrer von Bernkastel. Steinerne Zeugen aus dieser Zeit sind das Sakramentshaus im Chor, das Grabmal des Burggrafen Reiner und das Wappen derer von Falkenstein im Schlussstein über dem Aufgang zur Orgelempore.
Die der Mutter Gottes und dem Erzengel Michael geweihte Kirche in Bernkastel mit ihren Filialen Wehlen, Graach, Longkamp, Kommen und Monzelfeld erweist sich in der Ausdehnung des Pfarrbezirkes als eine jener frühen Pfarrorganisationen auf dem Lande.
Die Michaelskirche in Bernkastel war auch Mutterkirche und Mittelpunkt eines Großpfarrbezirkes zudem auch die Halbmutterkirchen Cues und Lieser angehörten. Inhaber des Rechtes zur Besetzung einer Pfarrei hatte im 12. Jahrh. der Erzbischof von Trier. Die Seelsorge in der Pfarrei Bernkastel tätigte ein Pastor, dem der Erzbischof das geistliche Amt übertrug. Zur Wahrnehmung der umfangreichen Seelsorgegeschäfte standen dem Pastor 7 Vikare unterstützend zur Seite. Wegen der grauen Farbe ihrer Kleidung wurden die Vikare “die grauen Herren genannt“. Die Pfarrkirche Bernkastel hatte 7 fundierte, das heißt, mit Stiftungsfonds ausgestatte Altäre. Es waren die Altäre des heiligen Kreuzes, des heiligen Petrus, des heiligen Antonius, des heiligen Nikolaus, der heiligen Margaretha, der heiligen Anna und der Altar der Heilig-Geist-Kirche. Aus diesen Einkünften ist später die Bernkasteler Präsenzstiftung hervorgegangen.
1438 wurde Nikolaus Cusanus Pfarrer von Bernkastel und später erhielt diese Stelle sein Bruder Johannes Krifts, Dechant von Piesport, der am 7. Mai 1456 starb und im Chor der Kirche beerdigt wurde. Die Grabplatte mit der Inschrift ist leider verloren gegangen. 1471 ist die Pfarrei Bernkastel dem Kollegiatstift zu Pfalzel unterstellt worden, dass aber bereits 1501 auf dieses Recht verzichtete. Am 8. März, 1512 übernachtete Kaiser Maximilian I. In der kurfürstlichen Amtskellerei zu Bernkastel die links neben der Kirche lag. Bevor der Kaiser am nächsten Tag zum Reichstag nach Trier aufbrach, wurde in der Pfarrkirche St. Michael eine feierliche Messe gelesen. 1532 erfolgte die teilweise Einverleibung der Pfarrei Bernkastel mit dem Hospital Cues, die unter dem Rektor des Hospitals Peter Wenz, dem späteren Pfarrer von Bernkastel anno 1707 wieder getrennt wurde. Das Besetzungsrecht der Pfarrei Bernkastel durch das Hospital Cues dauerte mehr als 250 Jahre, bis die Veränderungen der französischen Herrschaft jenem Recht für immer ein Ende machte. Nach dem Wegfall des Zehnten und anderer Bezüge sowie die Abtrennung der Filialen Graach, Longkamp und Monzelfeld wurden diese 1802 selbstständige Pfarreien. Im Jahre 1827 ist dann das Dekanat Bernkastel errichtet worden, dass 30 Pfarreien umfasste. Seit der Neuordnung der Pfarrseelsorge im Bistum Trier gehört die Pfarrei Bernkastel St. Michael der neuen Pfarrei Bernkastel-Kues an.
Patrozinium: Erzengel Michael, ab 1324 auch der Gottesmutter geweiht. 1669 als 2. Patrozinium: Hl. Sebastian
Das Stadtbild Bernkastels wird bestimmt durch die dem hl. Michael geweihte Kirche mit dem schweren, trotzigen altersgrauen Bruchsteinturm am Gestade, der im 13. Jahrh. im Zusammenhang mit der Stadtbefestigung im romanischen Geist errichtet wurde. Der Turm misst 4,60 x 4,25 m in der Lichte und hat eine Höhe von 56 m. Die Mauerstärke beträgt 1,75 m. Um 1486 erhielt der abgeplattete Turm einen schieferbedeckten achtseitigen Helm, den acht kleine, ebenfalls achtseitige Türmchen umstehen. Seitdem beherbergt der Turm auch die Kirchenglocken. Älter als die Pfarrkirche ist die älteste Glocke, die Evangelienglocke aus der Zeit um 1300. Aus dem Jahr 1499 stammt die Anna- oder Brandglocke. Die Toten- oder Sebastianusglocke stammt aus dem Jahre 1748. Im Jahr 1968 wurden von der Pfarrei noch zwei weitere Bronzeglocken angeschafft; die Michaelsglocke und die Sakramentsglocke. Das Bernkasteler Glockengeläute gehört somit zu dem schönsten und wertvollsten Geläute im Bistum Trier. Im Erdgeschoss des Kirchturmes steht das Mahnmal für die Gefallenen der Weltkriege. Der Raum war früher nur von außen zugänglich und wurde erst 1924, als man die Krieger-Gedächtnis-Kapelle schuf, mit einem Durchbruch mit dem Inneren der Kirche verbunden. Das Altarwerk der Kapelle, aus gelbraunem Tuffstein gearbeitet, stammt von dem Bernkasteler Bildhauer Paul Simon, der lange Jahre in Köln gearbeitet hat.
Kirchenschiff und Chor
Bis auf die westliche Verlängerung, die durch den kunstsinnigen Pfarrer Petrus Carove um 1730 eine neue Ausgestaltung und einen prächtigen Barockgiebel mit Sandsteingliederungen erhielt, wurde 1870 eine neogotische Fassade vorgesetzt. Erst 1968 ist die alte Barockfassade unter Dechant Jonas wieder hergestellt worden. Der Innenraum der Kirche ist eine einheitliche Bauschöpfung der Hochgotik, eine der wenigen die das Moseltal aufzuweisen hat. Das Wappenschild des Trierer Erzbischofs und Kurfürsten Kuno von Falkenstein (1361-1388) im südlichen Seitenschiff gibt die Entstehungszeit an. Das dreischiffige, ursprünglich fast quadratische Langhaus von 15,60 x 15,80 m Fläche war zunächst zweijochig, vor 1645 verlängerte man das Mittelschiff um das neben dem Turm gelegene Joch nach Westen für die Orgelempore. Das schön gezeichnete Blattwerk der Konsolen und Kapitäle hat noch etwas von der Frische und Naturverbundenheit rheinischer Frühgotik. Die kapitellosen Säulen, aus denen die Gewölberippen entwachsen, greifen der Spätgotik vor. So stellt sich der Kirchenbau, dessen äußerer Schmuck auf die schön gezeichnete Nordtür beschränkt ist, als ein Übergangswerk zweier Baurichtungen dar.
Ausstattung der Kirche
Die schöne Raumbestimmung der Kirche ist nicht zuletzt auf ihre reiche Ausstattung zurückzuführen. Aus der Erbauungszeit stammen noch das Sakramentshäuschen im Chor und im südlichen Seitenschiff das Grabmal des Burggrafen Reiner von 1372. So gehört ein Vesperbild aus Ton, Anfang 15. Jahrh. eine Madonna mit faltenreichem Gewand zu den besten mittelrheinischen Werken dieser Technik. Ein anderes, größeres Vesperbild aus Holz in der Turmkapelle stammt aus dem Anfang des 16. Jahrh. Die großartige Kreuzigungsgruppe auf dem Hochaltar trägt die Jahreszahl 1496. An den gotischen Bau hat ein aus Bernkastel gebürtiger apostolischer Notar und Sekretär des Trierer Domkapitels, Johann Jakob Kneib, um 1660 eine achteckige Kapelle und die Pfarrei einige Jahre später eine Sakristei angefügt, beides Zentralräume im Geiste der Renaissance.
Das Grabmal des Dechanten Friedrich Zorn von 1601 im Chorraum ist ein Werk des Trierer Bildhauers Heinrich Hoffmann. Dem Sohn des berühmten kurtrierischen Staatsbildhauers Hans Ruprecht Hoffmann. In der Kneipchen Kapelle befindet sich der sogenannte Pestaltar, den die Witwe des Stadtschreibers Johann Meyer 1631 durch den Enkel des alten Meisters, wieder ein Hans-Ruprecht Hoffmann, aufstellen ließ. Der Altar erinnert an die Pest, die damals in Bernkastel wütete. In der Mitteltafel auf dem Altar sieht man als Hintergrund der betenden Familie ein Bild des alten Bernkasteler Marktplatzes. Der Hochaltar aus der Barockzeit wurde um 1865 nach Burg an der Mosel verkauft. Der Nikolausaltar von 1750 ersetzt einen älteren ebenfalls dem hl. Nikolaus geweihten Altar aus dem Jahre 1403. Jedes Jahr am 6. Dez., dem Namenstag des Heiligen, stiftet die Bernkasteler Schifferzunft eine dicke Kerze für ihren Schutzpatron.
Oben auf dem Altar steht der hl. Franziskus Xaverius, der Apostel der Inder, rechts und links daneben knien je ein Indianer und ein Neger. Diese Figuren kommen erst drei Jahre später nach der Errichtung des Altares hinzu, gestiftet von der Mutter des Jesuiten Franz Anton Meisterburg. Pater Meisterburg war 1750 als Missionar zur Amazonasmündung aufgebrochen. Im Zuge eines Religionskrieges wurde er mit anderen Jesuiten 1757 als Gefangener nach Portugal deportiert und 1762 in die schauerlichen Verließe der Festung San Julia an der Tejo-Mündung eingekerkert. In dieser Zeit galt er für seine Familie als verschollen. Nach qualvollen Leidensjahren kehrte er erst 1777 in seine Heimatstadt zu seiner hochbetagten Mutter zurück und verbrachte seinen Lebensabend im Kapuzinerkloster.
Der Marienaltar im nördlichen Seitenschiff stammt auch aus dem Jahre 1750. Er stellt eine künstlerisch wertvolle Arbeit im Rokokostil aus Alabaster dar. In der mittigen Muschelnische steht Maria, gekleidet als vornehme elegante Frau in Moseltracht. Das Jesuskind, neben ihr auf einem Podest stehend, ist realistisch als fröhlicher Knabe dargestellt. Zwischen den Doppelsäulen stehen kleine Figuren der hl. Katharina und der hl. Babara. Darüber in einer Muschelnische die hl. Margaretha.
Vor dem Marienaltar befinden sich alte Freskenmalereien aus der Erbauungszeit der Kirche. Die Kanzel, die Bänke und das Orgelprospekt sind Werke der Barockzeit. Die Holzfiguren an den Wänden wurden von den Zünften der Stadt aufgestellt. Der wertvolle Kreuzweg unter der Empore von 1910 in neugotischer Umrahmung stammt von dem Maler Heinrich Lamers aus Kevelaer. Der Künstler hat auf den einzelnen Bildern Motive und Personen aus Bernkastel verewigt. In diesem zimmerartigen Raum steht auch das Taufbecken in hellrotem Marmor aus dem Jahre 1760.
Die Pfarrkirche St. Michael hatte bereits 1673 eine Orgel, über die nur vermerkt ist, dass sie auf der Evangelienseite des Chores stand. Dieses Werk, eine Stummorgel wurde 1744 für 1000 Reichstaler nach Longkamp verkauft. 1745 errichtet Johann Bernhard Nollet aus Belgisch-Luxemburg eine Orgel mit zwei Manualen. Das barocke Orgelprospekt stammt von dem Bernkasteler Holzschnitzer Johannes Günster. 1955 erfuhr die Orgel eine gründliche Erneuerung und Renovierung durch die Firma Johannes Klais aus Bonn unter der Beratung von Prof. Hermann Schroeder aus Köln, ein gebürtiger Bernkasteler. Zurzeit ist die Orgel nur noch bedingt bespielbar, da große Teile bei der letzten Kirchenrenovierung ausgebaut wurden. Eine Renovierung ist dringend erforderlich.
Die Orgel(n) in der St.-Michaels-Kirche, Bernkastel
1. Zum ersten Mal wird eine Orgel erwähnt im Schöffenbuch im Jahre 1673, über die lediglich mitgeteilt wird, dass sie auf der Evangelienseite des Chores stand.
2. Nach der Chronik des Stephan Wiltges „ist in Octobri 1720 die neue Orgel angekommen und in der Pfarrkirche aufgerichtet worden.“ Dieses Orgelwerk wurde 1744 für 100 Reichstaler nach Longkamp verkauft.
3. 1745 baute Romanus Benedikt Nollet (1710 – 1779) eine Orgel auf, die 1727 neu errichtete Empore; den Prospekt lieferte der Bernkasteler Schreinermeister Nikolaus Günster bereits 1744.
4. Hinter diesen Prospekt baute Heinrich Voltmann aus Klausen 1885 ein neues Werk mit 20 Registern auf 2 Manualen und Pedal. Wahrscheinlich in den 20er Jahren des 20. Jahrh. wurde die Disposition leicht verändert und um ein Register im Positiv erweitert.
5. Wegen der Kriegsschäden kam es 1955 zu einem Neubau mit 3 Manualen, Pedal und 32 Registern durch die Firma Johannes Klais, Bonn. Die Empore wurde erneuert und tiefer gelegt, der Prospekt weiter vorgezogen, verbreitert und einseitig erhöht, wodurch die heutige asymmetrische Form entstand. Wiederverwendet wurden einige Register sowie die Windladen von Hauptwerk und Positiv. An die ursprünglichen mechanischen Ventile wurden elektropneumatische Vorrelais angebaut, die Windladen um je 2 Töne ergänzt und die Positivlade zur Verwendung im neuen Schwellwerk um 3 Register erweitert. Größere Reparaturen folgten 1979 (Neubelederung der Brustwerklade) und 1992 (Registerzugapparate). Weitere notwendige Reparaturen (Lederteile, Windversorgung) wurden aufgeschoben. Wegen der Innenrenovierung der Kirche wurden sämtliche Pfeifen von Hauptwerk, Brustwerk und Pedal 1999 ausgebaut und eingelagert. Lediglich das Schwellwerk blieb vor Ort. Die hohen Kosten der Kirchensanierung verhinderten in den folgenden Jahren weitere Maßnahmen an der Orgel.
6. Nach umfangreichen Planungen konnte Ende 2018 der Auftrag für den Orgelneubau an die Firma Weimbs in Hellenthal (Eifel) vergeben werden. Vorgesehen sind der Einbau von 2 Manualwerken mit 21 Registern in die Emporenbrüstung sowie eines kombinierten Pedal- und Schwellwerkes auf die Südseite der Empore. Dieses enthält 7 erweiterte Pfeifenreihen, aus denen durch Oktavauszüge weitere Klangmöglichkeiten erzeugt werden. Insgesamt werden dann 54 Register zur Verfügung stehen. Am 2. / 3. Juni 2020 wurden die noch verbliebenen Orgelteile demontiert; lediglich der leere Prospektrahmen blieb stehen. Da in der Kirche noch weitere vordringliche Baumaßnahmen anstehen (u. a. Heizung und Fußboden), lässt sich die Fertigstellung der neuen Orgel zeitlich noch nicht absehen. Vermutlich wird dieses erst 2022 der Fall sein.
Stand: 08.07.2020